Seltsamer Titel. Verkopftes Thema. Wer hier eine Anleitung sucht, wie man sich von einer Büroklammer zu einem Ferrari F40 hoch tauscht, ist hier leider falsch.
Heute geht es darum, wie man, oft unbewusst, über die Zeit erworbene Fahrsicherheit (Trainings, Erfahrung etc.) gegen einen riskanteren Fahrstil eintauscht. Im schlechtesten Falle ist man dann, trotz Fahrpraxis etc., gefährdeter Unterwegs als in den ersten Stunden auf dem Motorrad.
Immer wieder begegne ich Menschen, die mich mit viel Verwunderung zurücklassen. Im Bereich Motorrad fahren sind es oft die, die elektronischen Helfern wie z. B. ABS ihre Daseinsberechtigung absprechen wollen. Über die Jahre ist mir aufgefallen, dass man diesen Typ Mensch anhand einiger Merkmale recht treffsicher erkennen kann: (immer!) männlich, über 40, leichter bis stark ausgeprägter Bauchansatz und das Haar auf dem Rückzug vom letzten Gefecht. Den Führerschein natürlich schon so lange in der Tasche, dass man dazu noch „Lappen“ sagt und man schon genau überlegen muss, wie lange man den Motorradführerschein jetzt eigentlich hat. Die jährliche Fahrleistung spielt sich dann aber natürlich im unteren Tausenderbereich ab, wenn überhaupt. Natürlich trifft das nicht immer zu 100 % zu, aber es ist schon auffällig.
Da leuchtet es frech, das böse ABS
Woher dieser Hass auf ABS & Co. kommt? Ich denke, es liegt daran, dass sich dieser Typ Mensch recht schnell bevormundet fühlt. Er will selbst entscheiden, wann und wie stark er bremst. Generell ist dieser Typ Mensch sowieso gerne sein eigener Herr und hat stets gerne die alleinige Befehlsgewalt was seine Entscheidungen betrifft. Was wiederum auf eine lustige Art interessant ist, wenn man bedenkt, wohin diese selbst getroffenen Entscheidungen bei so mancher Person geführt haben. Eine ordentliche Portion Selbstüberschätzung kommt da natürlich noch obendrauf, sonst wäre es ja nur halb so anstrengend.
Sätze, die man dabei oft hört: „ICH habe ja noch RICHTIG Motorrad fahren und bremsen gelernt damals!“ Ja Achim. Du hast auch mal Mathematik gelernt, wenn ich dich jetzt aber fragen würde, was es mit dem Distributivgesetz oder einem Skalarprodukt auf sich hat, würde nicht viel mehr als ein Stammeln aus dir rauskommen, nur damit du im nächsten Moment verkünden kannst: „Pha, das braucht doch kein Mensch! Mir reicht Plus und Minus! So!„
Aber bevor ich hier zu sehr abschweife, schauen wir uns doch mal an warum ein ABS System am Motorrad keine schlechte Idee ist.
Fahren mit mehreren Motorrädern in einem Verbund, auch das will gelernt sein. Umso mehr Motorräder daran beteiligt sind, desto kniffliger wird der Spaß. Aber ab wann macht es überhaupt Sinn in „Formation“ zu fahren? Ab vier Motorrädern? Ab fünf? Vielleicht sogar erst ab acht? Nein. Sobald mehr als ein Motorrad dabei ist, sollte man in Formation, also versetzt fahren.
Was bei den Großen Sinn macht, kann für uns nicht verkehrt sein
Aber warum eigentlich? Autos fahren ja auch einfach hintereinander her, ganz ohne irgendwelche fancy Regeln (Abstandsregel mal außen vor) oder Verhaltensrichtlinien. Klar, das stimmt. Allerdings fahren Autos eher selten im festen Verbund und außerdem sind wir mit unseren Motorrädern einspurig unterwegs. Das gibt uns zum einen ein ganz andere Möglichkeiten, allerdings auch ein paar Punkte die wir beachten sollten.
Vorne weg: Auf große, angemeldete Konvoifahrten gehe ich hier nicht ein, wer sich dafür interessiert kann hier mal vorbeischauen, da ist das super erklärt. Hier geht es eher um kleine Gruppen, wie man sie eben oft bei gemeinsamen Ausflügen hat.
Fahre ich „gut“ Motorrad? Was kann ich besser machen? Ist meine Kurvenlinie so wie ich mir das Vorstelle und habe ich überhaupt eine Vorstellung von einer guten und vor allem sicheren Kurvenlinie? Wie ist meine Blickführung und was kann ich da noch optimieren? Ist meine Körperhaltung in Ordnung oder sitze ich wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein auf dem Motorrad? Klar beschäftige ich mich schon länger damit, wie man ein Motorrad flott und sicher auf öffentlichen Straßen bewegt und versuche das natürlich auch genau so anzuwenden. Aber mache ich das, was ich aus Trainings, Theorie und Überlegungen heraus versuche umzusetzen, denn in der Realität auch wirklich richtig? Nicht nur auf dem Übungsplatz, sondern auf ganz normalen, öffentlichen Straßen? Ein essentieller Schritt ein „guter“ Motorradfahrer zu werden beginnt damit, sich überhaupt mal diese Fragen zu stellen. Seinen ganzen Stolz abzulegen, das Ego mal kurz ausknipsen und sich mal ernsthaft zu hinterfragen. Aus dem alten Trott ausbrechen und reflektieren.
Es gibt Situationen im Leben eines Motorradfahrers auf die wir, oberflächlich betrachtet, keinen Einfluss haben. Jemand nimmt uns die Vorfahrt. Jemand übersieht uns beim Abbiegen. Ein Auto zieht unvermittelt aus der Kolonne, die wir gerade überholen wollen. Auf die Handlungen der anderen Verkehrsteilnehmer haben wir erst mal keinen Einfluss. Dennoch können wir viele solcher Situationen entschärfen, indem wir ein paar Dinge beachten.
Motorräder sind für Kurven gebaut. Daran glaube ich fest und ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass Kurven überhaupt nur wegen der Erfindung des Motorrades existieren! Vorher gab es nur Geraden und rechte Winkel! Aber es ist wie so oft: es sind die Dinge, die wir lieben, die uns am gefährlichsten werden können. So auch mit Kurven. Falsch angefahren, falsche Linienwahl, Kurven die „zuziehen“… die Gefahren sind vielfältig. Warum dennoch relativ wenig passiert liegt zum einen am individuellen Glück des Fahrers und daran, dass LKW, Busse und sonstiges Gefährt, das dazu neigt, sich etwas mehr Platz in Kurven zu gönnen als vorgesehen, ja nicht überall gleichzeitig sein können.