
Angst tötet – zugegeben, liest sich etwas dramatisch. Wo uns Angst früher vor einem unangenehmen Ableben mit Säbelzahntigerbeteiligung geschützt hat, lässt sie uns heute dumme Dinge tun. In unserer modernen Welt ist das menschliche Gehirn mit manchen Situationen schlicht überfordert.
Was ohne Angst problemlos geklappt hätte, wird mit Angst zu einem jämmerlichen Herumgestolpere. Einfaches Beispiel: wenn man über einen 30 cm breiten und 15 m langen Balken gehen soll, der auf dem Boden liegt, ist das für die allermeisten keine große Herausforderung. 30 cm Breite sind eine Menge, dafür braucht man nicht mal einen guten Gleichgewichtssinn.
Ist dieser Balken aber in 20 Metern Höhe verankert, sieht die Sache schon ganz anders aus. Allein die Angst vor den Konsequenzen, sollte man daneben treten, sorgt dafür, dass eine eigentlich einfache Aufgabe zu einem Problem wird. Und das auch ganz ohne Höhenangst.

Jeder Mensch hat Bereiche, in denen er sich unwohl fühlt, vielleicht sogar Angst davor hat. Neue Software im Büro (das sieht ja gar nicht mehr so aus wie das vorher, das kapier ich ja nie!), irgendwelche trivialen Reparaturen (wenn ich den Wasserhahn falsch montiere, steht ja die ganze Bude unter Wasser!) oder auch soziale Situationen (was, ich soll mich jetzt vor der ganzen Gruppe kurz Vorstellen? Und was, wenn ich nuschele oder plötzlich stottere?). Was ohne Angst oder das „zerdenken“ der Situation nicht mal erwähnenswert gewesen wäre, kann dadurch, dass die Angst uns seltsame Dinge tun lässt, unangenehmer werden als nötig.
Im Bezug auf das Motorrad fahren ist das besonders fatal. Angst vor bestimmten Situationen kann dafür sorgen, dass wir Prozesse, die automatisch und ohne groß nachzudenken abgelaufen wären, in etwas umwandeln, was permanentes manuelles Eingreifen und ständiges nachjustieren erfordert.
Kann jeder selbst ausprobieren, in dem er auf seiner Hausstrecke mal jede Kurve ganz bewusst fährt. Also bewusst den Kurveneingang ansteuern, bewusst abbremsen, bewusst den Kurvenausgang mit dem Blick suchen usw. Was vorher intuitiv und wie aus einem Guss funktioniert hat, wird jetzt hakelig und abgehackt. Man fühlt sich in Fahrschulzeiten zurückversetzt.
Dazu kommt noch das „einfrieren“ in vermeintlichen Gefahrensituationen. Hat vielleicht der ein oder andere selbst schon mal erlebt: es wird eine Kurve angesteuert und man stellt fest, dass die Geschwindigkeit (gefühlt) noch zu hoch ist. Angst lässt uns auf der Bremse „einfrieren“. Wenn wir uns aus dieser Schockstarre nicht befreien können, geht es geradeaus in den Grünstreifen, die Leitplanke oder den Gegenverkehr. Unangenehm.
Angst und das damit verbundene „Zerdenken“ von Vorgängen sorgt also dafür, dass wir uns dümmer anstellen als nötig. Lässt uns Abläufe, die flüssig vonstattengehen sollten (Einlenkvorgänge, Kurvenkombinationen etc.), in etwas verwandeln, dass nach jedem Schritt im „Ablaufplan“ kurz stockt. An ein harmonisches Bewegen des Motorrades ist so nicht mehr zu denken und im ungünstigsten Falle gefährdet das uns und eben auch andere.

Deshalb ist es so wichtig, dass man sich beim Motorradfahren wohlfühlt. Eine gute Kurvenlinie sowie ein tiefes Vertrauen in das Motorrad trägt einen Großteil dazu bei. Wenn Defizite erkannt werden, sollte man diese baldmöglichst ausmerzen. Diverse Fahrsicherheitstrainings bieten sich dafür an, sowie auch spezielle Personal Trainings, in denen gezielt Schwerpunkte gesetzt werden können.
