Bei der Frage, ob man mit dem Motorrad im Stau schon mal einfach an den stehenden Verkehrsteilnehmern vorbeigefahren ist, verhält es sich wie mit der Frage, ob man schon mal beim Duschen gepinkelt hat: es gibt die Leute die »Ja« sagen, und es gibt die Lügner.
Vorab die rechtliche Situation kurz erläutert: in die Dusche pinkeln dürft ihr, im Stau Filtern (also an den stehenden, sehr langsam fahrenden Verkehrsteilnehmern zwischen den Spuren vorbeifahren) dürft ihr nicht. Warum ist das so? Naja, in eurer Dusche könnt ihr ja (fast alles) machen was ihr wollt. Für das Filtern im Stau müssen wir etwas weiter ausholen.

Natürlich hat sich da nie jemand hingesetzt und die Situation mal für sich stehend beleuchtet. Immerhin sind wir in Deutschland. Nein, das Verbot leitet sich aus den vorhandenen Verkehrsregeln ab.
Befahren des Seitenstreifens
Der rechte Seitenstreifen muss für freigehalten werden, für Rettungskräfte etc. Das Befahren ist deshalb, egal ob für Auto, Motorrad oder LKW, nicht erlaubt. Was allerdings geht (das hilft aber natürlich keinem, nicht mal den Rettungskräften): wenn ein akuter Hitzschlag droht, darf das Motorrad auf dem Seitenstreifen abgestellt werden. Ihr könnt dann euer Motorrad dort abstellen, euch aus den Klamotten pellen, und eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ergattern. Achievement Unlocked!
Zwischen den Spuren durch fahren
Auch das ist nicht erlaubt. Warum? In Deutschland darf nicht rechts überholt werden, denn es gilt das sogenannte Rechtsüberholverbot. Und da, wenn ihr euch zwischen den Spuren bewegt, immer ein anderer Verkehrsteilnehmer links von euch ist, ist auch das leider nicht gestattet.
Befahren der Rettungsgasse

Böses, großes „nein nein„. Das Befahren der Rettungsgasse (wenn denn eine gebildet wird) ist ausschließlich der Polizei, Rettungskräften, Feuerwehr etc. gestattet. Und da ihr mit eurem Motorrad wahrscheinlich nicht im Auftrag der eben erwähnten Institutionen unterwegs seid, ist das ebenfalls verboten.
An der Mittelleitplanke entlang
Das Rechtsüberholverbot wäre damit ja ausgehebelt, die Rettungsgasse benutzen wir auch nicht und selbst der Seitenstreifen bleibt von uns unbehelligt. Aber: in der Regel wird der Mindestabstand zum rechten Verkehrsteilnehmer nicht eingehalten und es ist nicht erlaubt, die linke Fahrbahnmarkierung zu diesem Zweck zu überschreiten. Dazu kommt, dass dort, wenn die Rettungsgasse korrekt gebildet wird, meist gar kein Platz mehr ist, um auf diesem Wege dem Stau zu entgehen.
Warum Filtere ich persönlich dennoch?
Im Vordergrund steht bei mir nicht die Zeitersparnis oder das triumphale Gefühl der Überlegenheit, wenn ich mit meinem Streitross am 4-Rad Pöbel vorbeifahre. Es ist schlicht der Sicherheitsaspekt. Ein Motorrad am Stauende ist das absolute Opfer. Sollte ein unachtsamer Verkehrsteilnehmer von hinten auf das Stauende auffahren, wird es direkt unangenehm. Und wir reden hier nicht von einem 40-Tonner, der 30 Autos am Stauende zusammen schiebt. Es reicht absolut, wenn das Auffahrende KFZ „nur“ noch Schrittgeschwindigkeit auf dem Tacho hat. Das Motorrad am Boden, der Motorradfahrer darunter.

In der Regel bringe ich also mit Filtern die ersten 10 – 15 Autoreihen hinter mich, und schau dann, wie es weiter geht. Es kommt auch immer ein bisschen darauf an, wie die anderen Verkehrsteilnehmer drauf sind. Es gibt Tage, da ist die Luft in so einem Stau regelrecht aggresionsgeschwängert und die Wahrscheinlichkeit, dass einem einer in die Spur zieht, ist recht hoch (was erstaunlich mutig ist, denn wir stehen ja in einem Stau und die Möglichkeiten, einer entsprechenden Gegenreaktion durch Flucht zu entkommen, sind entsprechend begrenzt).
Ist es an diesem Tag sehr heiß und die anderen Verkehrsteilnehmer sind nicht auf Krawall gebürstet, versuche ich natürlich das Filtern so weit wie möglich durchzuziehen. Bei Temperaturen jenseits der 30°C, in voller Montur und einem heißen Motor zwischen den Beinen, wird das selbst für trainierte Personen schnell unangenehm. Natürlich immer den Blick in die Rückspiegel, um sich nähernde Einsatzfahrzeuge rechtzeitig zu erkennen und Platz zu machen. Mit einem Motorrad ist das ja recht einfach zu bewerkstelligen.
Fazit
Auch wenn es ganz klar Verboten ist, nutze ich das Filtern im Stau so weit es eben möglich ist. Ich selbst versuche die Autobahn mit dem Motorrad so gut es geht zu vermeiden, aber nicht immer ist das möglich oder praktikabel. Meine Erfahrungen zum Filtern sind aber eher positiv.

Wirkliche Versuche, mir die Spur zu blockieren, gab es bis jetzt nicht (allenfalls halbherzig oder durch Unachtsamkeit), eine Anzeige habe ich auch noch nicht bekommen und ich bin mir fast sicher: selbst die Polizei drückt an heißen Tagen ein Auge zu, solange man nichts blockiert und mit Sinn und Verstand durch den Stau fährt.
Alle Bilder KI generiert (Microsoft Designer)
