Da ist sie wieder, diese spezielle Zeit des Jahres. Die Blumen blühen, letzte Streusalz-Reste sind runter von den Straßen, die Temperaturen haben sich wacker in den zweistelligen Bereich geschlagen und eine ganze spezielle Spezies Männer stellt fest, dass auf ihren (Super-)Sportwagen das Saisonkennzeichen ja wieder greift.
Diese, im Folgenden Homo Tardus genannte Spezies, sticht aus der Masse schon durch ihr schillerndes Auftreten heraus. Mit den knalligen Farben ihrer PS-starken Boliden wollen sie sich einen Vorteil bei der Balz verschaffen. Und diese Strategie geht durchaus auf!

Verbreitungsgebiete sind vor allem Regionen mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen, wie z. B. im Hochtaunus Kreis oder rund um München. Auffällig ist hierbei, dass die leistungsstarken Fortbewegungsmittel des Homo Tardus nicht etwa dazu dienen, das eigene Vorankommen zu beschleunigen. Nein, ganz im Gegenteil! Vom gelegentlichen Balz-Sprint auf langen Gerade oder an Kurvenausgängen abgesehen, bewegt sich der Homo Tardus meist langsam voran. Von artgerechter Haltung kann hier also keine Rede mehr sein. Ziel dieses Balztanzes ist es, sich so lange wie möglich im Blickfeld eventuell paarungsbereiter Weibchen aufzuhalten. Wobei anzumerken gilt, dass es sich hierbei oft um sogenannte „Scheinpaarungen“ handelt, um eventuellen (weiteren) Unterhaltsklagen vorzubeugen.
Das Gefährt des Homo Tardus soll hierbei verhindern, dass die Unzulänglichkeiten seines Besitzers zu sehr ins Auge stechen. Es gilt, den Blick geschickt an Bauchansätzen, schwindendem Haar und der ein oder anderen Gebrechlichkeit vorbeizulenken. Dennoch ist der Homo Tardus stets darauf bedacht, möglichst würdevoll an seiner Zielgruppe vorbeizupirschen. Lautes Aufheulen der Motoren oder quietschende Reifen überlässt der Homo Tardus den rangniederen Männchen. Diese, die sogenannten Homo Pauper, erkennt man an den, meist über 5 Ecken geleasten, preiswerteren „Sportwagen“ oder an US „Muscle“ Cars, die man für den Preis eines gut ausgestatteten VW Golf erstehen kann.

Der Homo Tardus zeigt gerne, was er hat – aber mit Stil! So ist es kein Zufall, dass der Arm mit der Rolex ab und an lässig aus dem Fahrzeuginneren ragt. Und so erklärt sich auch, warum in unseren Breitengraden die Uhr in der Regel am linken Arm getragen wird.
Das alles hat natürlich Auswirkungen auf die umliegende Flora und Fauna. Lange Autoschlangen, angeführt von einem einzelnen Homo Tardus, sind an sonnigen Tagen keine Seltenheit. Obwohl in der Regel Einzelgänger, kann es auch vorkommen, dass man auf eine Gruppe Homo Tardus trifft. Die Verkehrsbehinderung nimmt dadurch natürlich zu, denn vor allem in der Gruppe werden interne Revierkämpfe ausgetragen, in denen es darum geht, seinen Boliden möglichst langsam und schonend durch die Kurven zu steuern – immerhin handelt es sich dabei um eine Wertanlage!

Die Haupt-Balzzeit des Homo Tardus spielt sich zum Glück nur an den Wochenenden zwischen April und Oktober ab, auch zu erkennen an den Saisonkennzeichen. In den Wintermonaten zieht sich der Homo Tardus gerne zurück und bleibt unter seinesgleichen, um sich die Beute aus der Balzzeit gegenseitig zu präsentieren. Dabei trifft man selten auf Weibchen, die das 30. Lebensjahr überschritten haben. Nach unten hin ist das Alter meist lediglich durch die aktuelle Gesetzeslage begrenzt.
Natürlich bleibt der Homo Tardus auch in den Wintermonaten mobil. Allerdings bevorzugt er dann SUVs in der Größe von kleinen Einfamilienhäusern. Aber das ist eine andere Geschichte… für einen anderen Tag…